„Bei der Kinderbetreuung jahrelang geschlafen“
04.02.2013 · Die Frankfurter Schuldezernentin Sarah Sorge (Die Grünen) hat den vom hessischen Sozialminister Stefan Grüttner (CDU) vorgestellten Entwurf für ein hessisches Kinderförderungsgesetz scharf kritisiert.
Von Christian Palm und Ralf Euler
In besten Händen, hoffentlich: Kinder in einer Kindertagesstätte.
Die Frankfurter Schuldezernentin Sarah Sorge (Die Grünen) hat den vom hessischen Sozialminister Stefan Grüttner (CDU) vorgestellten Entwurf für ein hessisches Kinderförderungsgesetz scharf kritisiert. Die Stadträtin sagte, das Gesetz könne dramatische Folgen haben für die Betreuung von Kindern unter drei Jahren. Der Entwurf der schwarz-gelben Landesregierung sieht vor, dass künftig bis zu 16Kinder unter drei Jahren gemeinsam betreut werden können. „Wir wollen aber keine Verwahranstalten sondern Bildungseinrichtungen“, sagte Sorge. In Frankfurt gilt eine Obergrenze von zehn in Ausnahmefällen zwölf Kindern je Gruppe. Daran soll sich laut Sorge auch nichts ändern.
„Wir wollen auf keinen Fall etwas an den Gruppengrößen tun“, fügte die Dezernentin hinzu. Das bedeutet, dass Frankfurt fortan einen höheren Eigenanteil an der Kinderbetreuung zu tragen hätte. Und es wäre nicht die einzige Belastung, die mit dem Gesetz auf Frankfurt zukommen könnte: Nach dem derzeitigen Entwurf entfiele auch die Förderung für bestehende Hortplätze. Laut Bildungsdezernat geht es dabei um 2,1 Millionen Euro im Jahr, die fortan an Landesmitteln fehlen könnten. Ob Frankfurt am Ende insgesamt mehr oder weniger Geld vom Land für die Kinderbetreuung erhalte, sei derzeit noch offen.
Geld werde nicht sinnvoll verwendet
Das geplante Kinderförderungsgesetz sieht Sorge als Versuch, die Folgen früherer Versäumnisse zu kaschieren. „Land und Bund haben jahrelang geschlafen.“ Der Mangel an ausgebildeten Betreuern, zu dessen Behebung das geplante Gesetz unter anderem beitragen soll, sei seit langem vorhergesagt worden. Die Landesregierung habe aber die Hände in den Schoß gelegt, statt zu handeln. Dass nach dem Gesetzentwurf fortan auch fachfremde Angestellte in Kitas arbeiten dürfen, hält Sorge für die falsche Reaktion: „Das ist genau das Gegenteil dessen, was wir brauchen.“
Überhaupt teilt Sorge die Meinung der Autoren einer Studie, aus der das Magazin „Spiegel“ in seiner aktuellen Ausgabe zitiert. Demnach wird ein großer Teil des Geldes, das zur Förderung von Familien eingesetzt wird, nicht sinnvoll verwendet. Sorge ist deshalb dafür, fortan stärker familienfreundliche Institutionen zu fördern. „Kindern ist mit einem guten Betreuungsplatz mehr geholfen als mit zehn Euro mehr Kindergeld“, sagte die Dezernentin. Der Staat solle eine gute Infrastruktur bereitstellen, statt mit Leistungen wie dem Betreuungsgeld falsche Anreize zu setzen. Dahinter stehe ein antiquiertes Familienbild, das längst von der Realität überholt worden sei.
Expertenanhörung noch geplant
Sozialminister Grüttner wies hingegen in Wiesbaden darauf hin, dass sich das Land die Kinderförderung in den nächsten Jahren wesentlich mehr als bisher kosten lassen: im Durchschnitt der nächsten fünf Jahre rund 425 Millionen Euro statt 355 Millionen wie im Etat des vergangenen Jahres. Falls die Voraussetzungen, sprich die Zahl der betreuten Kinder, ihr Alter und der Anteil behinderter Mädchen und Jungen, gleich blieben, werde keine Kindertagesstätte künftig weniger Geld oder weniger Betreuer haben, sondern in aller Regel sogar mehr, hielt Grüttner den Kritikern des Gesetzentwurfs entgegen. Die Neuregelungen, die mit Beginn des nächsten Jahres in Kraft treten sollen, seien „möglicherweise sehr kompliziert“, würden jedoch für mehr Qualität, mehr Flexibilität und weniger Bürokratie sorgen.
Die Regelung, dass bis zu 20 Prozent des Kita-Personals künftig aus fachfremden Berufen kommen dürfen, wird nach Ansicht des Ministers keine negativen Auswirkungen auf die Qualität der Kinderbetreuung haben. Im Gegenteil: Eine solche Öffnung des Berufsbildes für Kinderkrankenschwestern, Ergotherapeuten, Logopäden oder – im Falle von Waldkindergärten – auch für Förster könne für viele Betreuungseinrichtungen sogar ein Gewinn sein. Grüttner wies darauf hin, dass der Einsatz eines fachfremden Bewerbers vom Träger der Tagesstätte beantragt und in jedem Einzelfall vom Jugendamt genehmigt werden müsse.
Der Entwurf für das Kinderförderungsgesetz, in dem alle bisherigen Förderungstatbestände, Verordnungen, Richtlinien und Erlasse zu diesem Thema gebündelt werden sollen, war im Dezember im Landtag zur ersten Lesung eingebracht worden. Für Anfang März ist eine Expertenanhörung im Sozialausschuss des Parlaments geplant. Grüttner erwartet, dass das Gesetz anschließend noch vor der Sommerpause vom Landtag beschlossen werden kann.