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Ernährungsumstellung im Kindergarten

in Allgemein

Interview mit unserer Geschäftsführerin und Gründerin Julia Zabudkin, erschienen im Ernährungsrundbrief 1-21 von AKE (Arbeitskreis für Ernährungsforschung) im 1. Quartal 2021

Ernährungsumstellung im Kindergarten

Die Deutsch-Russischen Kindergärten Nezabudka in Frankfurt am Main planten im letzten Jahr die Umstellung der Versorgung ihrer Kinder auf vegetarische Kost. Der Arbeitskreis für Ernährungsforschung durfte sie dabei begleiten. Wir interviewten Julia Zabudkin, Geschäftsführung der Nezabudka Kinderbetreuung gGmbH.

Liebe Frau Zabudkin, was hat Sie bewogen, diese Aufgabe in Angriff zu nehmen?

Die Zusammenhänge in der Welt sind allen sichtbar. Wir können uns der Verantwortung für das Leben und die Zukunft nicht entziehen. Statt viel zu reden und sich über die Untätigkeit der Anderen aufzuregen, können wir mit der Umstellung der Ernährung bereits viel bewegen. Umwelt-, soziale, ethische und gesundheitliche Gründe sind für mich bei dieser Entscheidung untrennbar miteinander verbunden. Durch Umstellung auf vegetarische Ernährung sagen wir ein klares JA zum Umweltschutz, zur Gerechtigkeit in der Welt, zum Wohl aller Leben auf dieser Erde und zur Prävention von Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, Gicht, Bluthochdruck und Fettsucht.

Sie mussten sowohl die Eltern, Ihre Mitarbeiter, die Pädagogen sowie die Küchenkräfte von diesem Projekt überzeugen. Wie schwierig oder einfach war das?

Ja, das ist in der Tat die erste Aufgabe gewesen, die Menschen bei Nezabudka für die Vorteile der vegetarischen Ernährung zu begeistern. Bei manchen dauert dieser Prozess noch an. Trotz vieler verfügbarer Informationsquellen zum Thema vegetarische Ernährung (Bücher, Podcasts, Zeitschriften, Blogs, Filme, etc.) scheinen die vielfältigen Vorteile dieser nicht im ausreichenden Maße bekannt zu sein. Nun schürt Unkenntnis üblicherweise Ängste.

  • „mein Kind bleibt hungrig“
  • „Vegetarismus ist gesundheitsschädlich“
  • „sie können den Kindern doch nicht ihre Wurst vom Brot nehmen“
  • „was sollen die Kinder denn essen?“
  • „wenn man das Fleisch weg nimmt, bleiben nur Kartoffeln und Salat übrig“
  • „hören Sie auf, die Kinder zu erschrecken, dass wegen des Fleisches Tiere getötet werden“

Ich habe sehr viel Zeit in die Aufklärung investiert und eine Übergangsphase von sechs Monaten vorgeschaltet, um alle Beteiligten abzuholen und ihnen zu helfen, ihre Bedenken auszuräumen.

Logo für das vegetarische Essensprojekt

Zu so einer Umstellung gehören auch Informationen und die Schulung der beteiligten Menschen. Sie haben einige Veranstaltungen angeboten. Mögen Sie darüber berichten?

Ich habe den Zeitpunkt der Ankündigung der Umstellung auf vegetarische Kost und deren geplanten Start im Januar 2021 intuitiv während des Fleischskandals im Sommer 2020 gewählt. Einige Eltern und Kolleginnen waren bereits stark sensibilisiert und wollten was ändern. Diese Menschen haben die Umstellung mit tiefer Einsicht angenommen. Wir haben mit einem Aufklärungsschreiben angefangen, in dem wir auf die oben erwähnten Vorteile der vegetarischen Ernährung hingewiesen haben. Zudem enthielt der Brief Links zu verschiedenen Informationsquellen und Empfehlungen für Bücher und Dokumentationen. Danach folgten weitere Schritte:

  • Kontakt zum Arbeitskreis für Ernährungsforschung aufgenommen und eine Veranstaltungsreihe mit insgesamt sechs Terminen vereinbart und durchgeführt.
  • Einen veganen Koch engagiert und gemeinsam mit Kolleginnen an vier Abenden ein mehrgängiges Veggi-Menü gekocht.
  • Einen vegetarischen Caterer zu den Elternabenden mit Vortrag und Probeessen eingeladen.
  • Gemeinsame Kochabende mit leichten vollwertigen Gerichten für Eltern und Kinder angeboten Mehr hätten wir auch nicht schaffen können. Allerdings haben die Mitarbeiter*innen und Eltern jederzeit die Möglichkeit, über die in unserer Dokumentencloud verfügbar gemachten Fragenliste ihre Themen zu platzieren.

Sie haben aus personellen und teilweise auch räumlichen Gründen nicht die Möglichkeit selber zu kochen. Daher musste ein Caterer gefunden werden, der Speisen entsprechend Ihren Vorstellungen liefert. Ist dies gut gelungen?

Interessanterweise ist der Markt für solche Caterer nicht besonders groß. Nach eingehender Recherche haben wir drei Anbieter unter die Lupe genommen, mit ihnen ausführlich gesprochen und natürlich ihr Essen ausprobiert. Am Ende haben wir uns für „Steierflug‘s Gutes Essen“ aus Kronberg entschieden und machen gerade erste Erfahrungen im Alltag. Der Inhaber, Herr Hanf, hat zusammen mit uns ein Menü entwickelt, das speziell auf unsere Vorgaben und den Empfehlungen des Arbeitskreises für Ernährungsforschung basiert. Wir holen uns aktiv Feedback von den Kindern, tauschen uns wöchentlich mit Steierflug‘s aus, passen die Menüs an, um den besten Mix für unsere Kinder zu finden.

Julia Zabudkin. Foto: Autorin

Seit Beginn dieses Jahres werden Ihre Kinder vegetarisch versorgt. Wie gelingt das in der Praxis in Bezug auf die Akzeptanz durch Kinder und Eltern? Ergeben sich praktische Probleme?

Wir sind zufrieden. Die Kinder sind neugierig und probieren gerne neue Gerichte aus. Es ist nicht auffällig, dass es den Kindern seit der Umstellung weniger schmeckt. Alle Getreidesorten wie Couscous, Bulgur und Buchweizen sind der Hit, dagegen können die Kinder mit vegetarischen Bratlingen noch wenig anfangen, da sie darunter Fleisch oder Fisch vermuten. Jedoch sind Blumenkohlmedaillons keine Chicken Nuggets. Die Eltern werden durch regelmäßiges Feedback zum Essverhalten ihrer Kinder eingebunden. Manche Eltern sind weiterhin skeptisch, weshalb der Aufklärungsprozess heute noch andauert.

Haben Sie im Zusammenhang mit Ihrem Projekt noch weitere Pläne?

Ja, wir machen weiter und möchten auch die Öffentlichkeit auf unser Projekt aufmerksam machen. Denn uns geht es auch um die grundsätzliche Auseinandersetzung mit dem, was uns nährt und den Zusammenhängen zwischen den Ökosystemen, aus denen unser Essen kommt. Einfach ausgedrückt streben wir an, dass die Nezabudka Kinder diese Zusammenhänge verstehen und dieses Wissen auf ihren weiteren Lebensweg mitnehmen. Denn die Milch kommt nicht aus dem Tetrapak und die Wurst wächst nicht am Baum. Als weitere erstrebenswerte Ziele haben wir uns den Umstieg auf umweltfreundliche Reinigungs- und Waschmittel sowie eine plastikfreie Kita vorgenommen.

Möchten Sie etwas ergänzen?

Ich wünsche jedem von uns und jeder Organisation den Mut, den ersten Schritt im Sinne der eigenen Gesundheit und des Umweltgedankens zu wagen. „Alles fängt mit dem ersten Schritt an“

Liebe Frau Zabudkin, wir danken für das Interview.

Mehr Info auf: https://www.ak-ernaehrung.de/content