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Frankfurter Rundschau

in Presse

Sachkunde auf Russisch

Von Anita Strecker

In der globalen Welt ist es wichtig, mehrere Sprachen zu sprechen. Das lernt man am besten in jungen Jahren. In Frankfurt werden deswegen immer mehr bilinguale Kitas und Schulen eröffnet. Zum Beispiel die deutsch-russische Alexander-Puschkin-Schule.
 

Frankfurt – Seit elf Jahren träumen sie davon, nach den Sommerferien geht der Traum endlich in Erfüllung: Die deutsch-russische Alexander-Puschkin-Schule wird mit voraussichtlich zehn Erstklässlern ihren Betrieb aufnehmen. Natalia Vukolova, Geschäftsführerin von Slowo, dem Verein zur Pflege der russischen Kultur, der die neue Schule in Frankfurt betreibt, und Julia Zabudkin, Gründerin der deutsch-russischen Kitas mit angeschlossenen Krippen Nezabudka I,II und III, strahlen um die Wette. Zwei Jahre Planungsarbeit, Behördengänge und Genehmigungsverfahren, die Suche nach geeigneten Lehrern und Unterstützern liegen hinter ihnen. Jetzt steht alles auf Start. Eine russische Lehrerin und ein deutscher Kollege werden die Kinder in Kunst und Sachkunde bilingual unterrichten – nach der Immersionsmethode, die bereits in den Nezabudka-Kitas bestens funktioniert: die Lehrerin spricht nur russisch, der Lehrer nur deutsch. Als anerkannte Ersatzschule mit Ganztagsbetreuung folgt die Alexander-Puschkin dem hessischen Schulplan, sagt Vukolova. Ab der ersten Klasse wird zusätzlich zum Deutschunterricht auch Russisch als Mutter- oder als Fremdsprache angeboten. Die Kinder sollen darüber hinaus aber auch in anderen Fächern wie Sachkunde russische Lehrbücher kennenlernen.

Für die beiden Frauen ist die neue Schule die logische Fortsetzung dessen, was mit den drei Nezabudka-Filialen in Bockenheim und Sachsenhausen begonnen hat. Nezabudka heißt zu deutsch: „Vergiss mein nicht“. Genau darum ging es Julia Zabudkin, als sie vor zwölf Jahren die Idee für das deutsch-russische Angebot entwickelte und sechs Jahre ackerte, um sie zu verwirklichen. Ihr erstes Kind war gut ein Jahr alt damals, sie und ihr Mann, beide aus der Ukraine, wollten in Deutschland leben. „Aber meine Kinder sollten auch russisch sprechen und die russische Kultur kennen lernen.“

“Zwei Zugänge zur Welt”

Dazu braucht es Kita und Schule, ist die 35-jährige Sozialpädagogin überzeugt. In den Nezabudka-Krippen und Kitas wachsen Kinder von klein auf mit beiden Sprachen auf, hören sie im Alltag und Umgang miteinander. Ein Ansatz, den nicht nur die vielen russischen und deutsch-russischen Familien in Frankfurt schätzen, allmählich melden auch immer mehr rein deutschsprachige Familien Kinder bei Nezabudka an, sagt Zabudkin, weil sie den frühen Kontakt zu einer anderen Sprache und Kultur als Wert und wichtige Startvoraussetzung für ihre Kleinen sehen. „Die Kinder bekommen zwei Zugänge zur Welt. Alle sind auffallend offen, können sehr früh über Sprache sprechen und es fällt ihnen später leichter, auch andere Sprachen zu lernen.“

Aber das ist es nicht allein, weshalb sich Eltern für die bilinguale Einrichtung entscheiden. Viele schätzen den pädagogischen Mix aus beiden Kulturkreisen, sagt Zabudkin und malt dabei mit den Zeigefingern Gänsefüßchen in die Luft: „ein bisschen mehr Anleitung, ein bisschen mehr Rituale wie Mittagsschlaf im eigenen Bettchen, ein bisschen mehr Vorbereitung auf die Schule“.

Unterschiedliche Auffassungen und den besten Weg müssen die Erzieherinnen immer wieder neu untereinander aushandeln, sagt die Sozialpädagogin. Auch das ist Programm: Alle sollen ihre unterschiedlichen Mentalitäten respektieren, offen für das Andere sein und zum Miteinander finden. Und das beschränkt sich längst nicht mehr nur auf deutsch-russische Begegnungen. Die Familien und auch die Erzieherinnen der drei Einrichtungen kommen aus unterschiedlichen Ländern: Frankreich, Rumänien, Serbien, Kroatien und Polen sind in den drei Einrichtungen vertreten.

Die Welt wird immer mehrsprachiger, sagt Natalia Vukolova. Deshalb reicht ihr auch das Sprachen-Angebot der öffentlichen Schulen nicht, in denen bilingualer Unterricht oft nur in einzelnen Jahrgangsstufen angeboten wird und Russisch als verbindliches Unterrichtsfach nur in der der Elisabethenschule und dem Goethegymnasium als dritte Fremdsprache. Zu wenig, um die Sprache intensiv zu lernen, geschweige denn auch etwas über Kultur und Mentalität zu erfahren. „Russisch ist eine Weltsprache und Russland wird mit seinem intellektuellen Potenzial und dem starken Wirtschaftswachstum auch immer ein wichtiger Partner für Deutschland bleiben.“

Nach der bilingualen Kita sollte es für die Kinder deshalb auch in der Schule mit dem Russisch-Lernen weitergehen. Zumal der Kindergarten allenfalls die Basis liefert, wie Zabudkin sagt. „Kinder erleben den Klang der Sprache, bauen einen Wortschatz auf, aber das richtige Sprachenlernen kommt erst mit der Schrift und dem Lesen.“

Auch deutsche Familien zeigen Interesse

Potenzielle Interessenten für eine deutsch-russische Schule gibt es in Frankfurt und Umgebung genug. Schätzungen gehen von 15.000 bis 30.000 russisch-sprachigen Menschen aus – deutsche Aussiedler aus Russland, Russischstämmige mit deutschem Pass wie etwa Julia Zabudkin nicht miteingerechnet. An der russischen Samstagsschule, die Slowo gleichfalls betreibt, werden zurzeit 350 Kinder unterrichtet. Doch auch deutsche Familien zeigen Interesse, sagen Vukolova und Zabudkin, eine Anmeldung für den übernächsten Schulstart liege schon vor.

Die Alexander-Puschkin fängt dennoch erst mal klein an. Unterrichtsräume samt Hortangebot für die Erstklässler, die alle aus den Nezabudka-Filialen kommen, werden in der weitläufigen Kita Nezabudka II in der Voltastraße eingerichtet. Küche, Turnraum und Spielplatz für die Pausen teilen sich die Schüler mit den Kita-Kindern. Jahrgang für Jahrgang soll die Schule wachsen und irgendwann, vermutlich als integrative Gesamtschule, zum Abitur führen.

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